Figur 4 Jugend

 

In Memoriam Siegfried Bertz *17.11.1953 +31.10.2024

In tiefer Betroffenheit nehmen wir Abschied von unserem langjährigen Vereinsmitglied Siegfried, „Siggi“ oder auch ehrfurchtsvoll, begleitet von einem kleinen Augenzwinkern, „der Legendäre“, genannt.

Die rasante Entwicklung, die er seit seinem Eintritt in die Reihen des Akener Schachvereins (damals BSG Stahl Aken) im Jahr 1967 genommen hat, ist wahrlich beeindruckend.

Ausgestattet mit dem nötigen Talent, einer schnellen Auffassungsgabe und dem unverzichtbaren Fleiß, seine schachlichen Fähigkeiten weiter zu verbessern, zeigten sich bald die ersten Erfolge.

So belegte er bereits kurze Zeit später als Schüler einen hervorragenden zweiten Platz bei der Kreismeisterschaft in Köthen und einen dritten Platz bei der Spartakiade.

Im Oktober 1976 erreichte er als 22-Jähriger die Leistungsklasse 1. Zwischen 1977 und 1980 verlor er kaum eine Partie. Besonders mit den schwarzen Figuren punktete er sehr erfolgreich gegen gleichwertige Gegnerschaft.

Im Jahr 1978 wurde unser Siegfried dann souveräner Kreismeister.

Auch an zahlreichen anderen Turnieren, an denen er vor und nach der Wende teilnahm, erzielte er achtbare Ergebnisse.

Besonders erwähnenswert ist hier seine erste Halbnorm als Meisteranwärter bei einem Einladungsturnier 1980 im thüringischen Erlau, mit einem sagenhaften ELO-Leistungsschnit von 2113 Punkten.

Von der Eröffnung bis ins Endspiel war unser Siegfried, nun im Zenit seiner Schaffenskraft stehend, ein gefürchteter Gegner geworden.

In seinen jungen Jahren nahm die „Spanische Partie“, die „Italienische Eröffnung“, aber auch das scharfe „Zweispringerspiel im Nachzuge“, einen festen Platz in seinem Eröffnungsrepertoire ein.

Mit den schwarzen Figuren gehörten unter anderem die „Sizilianische Verteidigung“, hier die Drachenvariante und das sehr komplexe Najdorf-System, aber auch „Grünfeld-Indisch“ und später dann, in seinen reiferen Jahren, die „Königsindische Verteidigung“, zu seinen Favoriten.

Siegfried setzte schon mit seinem 1. Zug, nämlich e4!, getreu seinem großen schachlichen Vorbild Bobby Fischer, ein klares Zeichen, in welche Richtung die Partie gehen sollte.

„Bitte keine Langeweile auf den 64 Feldern, gerne kompromisslos und taktisch!“, dass war seine Maxime und dabei immer den strategischen Weitblick vor Augen habend.

Als kleine Fußnote soll nicht unerwähnt bleiben, dass unser Siegfried zu seinen Glanzzeiten auch dem Fernschach nicht abgeneigt war.

Ganze 104 (!!!) Partien hat er auf dem Postweg simultan gespielt, unter anderem gegen Gegner aus den USA, Großbritannien, Odessa, der Bretagne und der Bundesrepublik.

Eine tiefgründige Abhandlung über die „Sweschnikow-Variante“ im Sizilianer wurde von ihm verfasst und natürlich hat er all seine Partien akribisch analysiert und archiviert.

Zwischen 1976 und 1978 ließ er sich zum Schachtrainer der Stufe 3 ausbilden und gab sein reiches Wissen gerne an die Jugend weitergab.

Bekannt war unser Siegfried für seinen trockenen Humor, der ab und an rabenschwarz sein konnte.

Legendär auch sein umfangreiches Stullenpaket, welches bei keinem Wettkampf fehlen durfte.

Er war ein überaus geselliger und liebenswerter Mensch, der im Kreise seiner Familie aufblühte, gerne verreiste und seine große Leidenschaft für das Schachspiel, welches für ihn Wissenschaft, Sport und Kunst zugleich war, bereitwillig mit Gleichgesinnten teilte.

Seine Kämpfernatur zeigte sich nicht nur am Brett, sondern vor allen Dingen im wirklichen Leben.

Trotz schwerer gesundheitlicher Rückschläge, blieb dieser Goliath seinem geliebten Steckenpferd treu, verstärkte nach den erzwungenen Unterbrechungen weiterhin unsere Reihen und erbeutete wertvolle Punkte in den Mannschaftskämpfen unseres Vereins.

Als besondere Ehrung für seine Verdienste rund um das königliche Spiel, wurde Siegfried im Jahr 2013 vom Landessportbund die silberne Ehrennadel verliehen.

Nun ist er nicht mehr. Für uns alle unfassbar, ist einer der ganz Großen der Akener Vereinsgeschichte, nach kurzer, schwerer Krankheit, von uns gegangen. Seine letzte Partie hat er, in für ihn typischer Manier, spektakulär und souverän gewonnen.

Caissa hat ihn nun zu sich gerufen. Siegfried, wir werden dich vermissen, als guten Freund, leidenschaftlichen Schachspieler, Kämpfer und Schachdenker.

Wir werden sein Andenken in Ehren bewahren!

Unser aufrichtiges Mitgefühl gilt seiner Familie.

Deine Schachfreunde des TSV Elbe Aken 1863 e.V.

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