Von den Anfängen um 1880 bis zur Auflösung 1945 Bürgerliches Vereinsleben mit bewundernswerten Akteuren in unsicheren Zeiten
Pünktlich zum 800. Jahr der Ersterwähnung der Stadt Bitterfeld, wenn auch mit etwas Verspätung, gibt das Schachmuseum ein weiteres Buch zur regionalen Schachgeschichte über den bürgerlich geprägten Schachverein Bitterfeld heraus. Eingebunden sind auch die Schachvereine aus Holzweißig, Wolfen, Jeßnitz Union Sandersdorf und Greppin.
Nun ja, bekannt war, dass der Bitterfelder Schachverein als Mitglied des Saale-Schachbundes 1932 das 50jährige Jubiläum dieses Bundes mit einem Kongress ausrichten durfte.
Zörbig und Löberitz hatten diesen Bund 1882 zusammen mit Halle gegründet. Gründungsort war Zörbig. Der Jubiläumskongress hätte eigentlich an seinem Gründungsort stattfinden sollen, doch in Zörbig gab es schon lange Zeit kein organisiertes Schach mehr und Löberitz befand sich ebenfalls in einer Agonie. In Löberitz wurde zwar noch Schach gespielt, doch das Dorf wäre nie in der Lage gewesen, solch eine Großveranstaltung zu planen, zu organisieren oder gar durchzuführen.
Ein weitere Anlass war für den Autor Konrad Reiß die ominöse und nirgendwo auffindbare Vereinszeitschrift „Die Bitterfelder Schach-Rakete“.
Hierzu kamen noch mehrere tiefgründige schachhistorische Ausarbeitungen des heute wenig bekannten Prof. Dr. Paul Seyferth. Mit zahlreichen Problemkompositionen. Später fand der Problemschachhistoriker Dr. Ralf Binnewirtz aus Meerbusch von Seyferth sogar noch eine Abhandlung über das, für viele Schachspieler recht unbekannte, „Märchenschach“.
Beachtenswert ist die in der Öffentlichkeit nur teilweise bekannte Lebensgeschichte des jüdischen Kaufmanns Max Nussbaum. Er war, wie sich herausstellte, Mitbegründer des Bitterfelder Schachvereins, wurde dort 1933 aus dem Vorstand ausgeschlossen und 1944 in Auschwitz ermordet.
Mit der Bibliothek „Theresia v. Avila“ des Schachmuseums Löberitz im Rücken, boten sich für Konrad Reiß das Stadtarchiv Bitterfeld und das Kreismuseum Bitterfeld als gute Adressen an.
Während die Jahrgangsbände der Deutschen Schachzeitung, der Deutschen Schachblätter oder ähnlicher Publikationen, wie Ranneforths Schachkalender, recht schnell durchforstet werden konnten, musste bei den regionalen Bitterfelder Tageszeitungen, die in der Regel täglich herauskamen, eine immense Arbeit erledigt werden. Zwei Jahre Recherchen in Bitterfeld brachten dann allerdings ungeahnte und längst vergessene Tatsachen ans Tageslicht.
Dadurch konnte eine spannende Zeit zwischen 1880 und 1945 erlebbar dargestellt werden. Es war eine Zeit, in der die Wirtschaft in Bitterfeld durch den Braunkohlebergbau, die Filmproduktion und die Chemieindustrie boomte. Groß waren aber die schwerwiegenden Unterbrechungen durch Weltwirtschaftskrise, Inflation und zwei Weltkriege. Der letzte der beiden Kriege beendete auch das bürgerliche Schach in Ostdeutschland.
Das Buch berichtet ab 1880 chronologisch. Wesentliche Grundsubstanz sind die Berichte in den Bitterfelder Lokalzeitungen. Auch die sind ein Werk von Dr. Seyferth. Manchmal werden auch Zeitungsberichte aufgeführt, die nicht nur Bitterfeld direkt, sondern auch die Vereine des näheren Umfeldes beleuchten. Da durch verschwinden sie nicht wieder im Dunkel der Geschichte, sondern dokumentieren das reiche Schachleben der Region.
Alle zitierten Berichte, Partieanalysen oder Angaben zu den zahlreich veröffentlichten Schachproblemen wurden in der Regel, soweit sie nicht zu offensichtlich fehlerhaft waren, in der Originalkommentierung belassen. Mit Sicherheit wird das dem einen oder anderen ein Schmunzeln entlocken.
Kurz vor dem Druck konnte das Schachmuseum Löberitz noch Teile von Dr. Krahnstöver in Empfang nehmen. Der Augenarzt war nach dem Tod von Prof. Seyferth Vereinsvorsitzender. Sein schachlicher Nachlass kam aus den Niederlanden.
Das Buch wird am Freitag, dem 30.08.2024, 17.00 Uhr im Schachmuseum Löberitz in 06780 Zörbig / OT Löberitz, Str. der Jugend 3b (am Sportplatz) vorgestellt. Gäste sind herzlich eingeladen.
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